Wir beraten

Uta Pohl-Patalong, Bibel lesen. Die Kraft der heiligen Texte   

Buch des Monats Oktober 2010

Dieses kleine Buch (150 Seiten) von Uta Pohl-Patalong ist lesenswert und deshalb sehr empfehlenswert.
Nicht nur für Menschen, die als Fachleute und Schrifterklärer gelten und sich im Geheimen immer noch mit der Frage des «minor aggreements» herumschlagen, sondern auch für solche Menschen, die einfach nur lesen, fragen und staunen wollen.

Dem Klappentext können wir entnehmen, dass die Autorin den Leser und die Leserin mitnehmen will auf eine Entdeckungsreise durch das grundlegende Dokument des Christentums.
Sie bringt uns die Schrift nicht näher als ein Buch, welches wir von vorn bis hinten durchlesen sollten, sondern als «einen Weg zum Gehen».
So greift sie bei ihrem Buchtitel nicht zu überschäumender Formulierung aus der Welt der Spiritualität und Esoterik, sondern nennt es einfach «Bibel lesen».
Zum Handgreiflichwerden an diesem Buch will sie uns verführen, zum Aufschlagen und Lesen.
Nie verfällt sie in ihrem Tun und Erklären in ein Theologenlatein, sondern bleibt in ihren Ausführungen griffig und verständlich.
In ihrer Analyse führt sie uns in 7 Kapiteln von der Grob- und Aussensicht den Weg in die feine und spezielle Sicht einer einzigen Erzählung, nämlich Mk 14,3-9, in der eine Frau sich als Prophetin (sic) erweist und Jesus ihre Liebe zeigt.
Übrigens eine von vielen Erzählungen in der Schrift, die nicht in der dreijährigen Leseordnung unserer Kirche an Sonntagen vorkommen, also im «heiligen Raum» nicht gelesen werden.

Nach einem kurzen persönlichen Statement zu Beginn, wie sie selber in jungen und jüngeren Jahren den Weg zum diesem Buch gefunden hat, folgen im 2. und 3. Kapitel Beschreibungen allgemeinerer Art, die aufzeigen, dass die Bibel aus vielen Lebenswelten kommt, in viele hinein passt und eigentlich kein einzelnes Buch, sondern eine kleine Bibliothek ist mit einem weitgespannten Entstehungszeitraum.

Im 4. Kapitel werden kurz die einzelnen wissenschaftlichen Zugangswege zur Schrift der letzten 150 Jahre beschrieben. Vom klassischen historisch-kritischen Zugang, über die feministische- bis zur tiefenpsychologischen Herangehensweise zeigt die Autorin Wege auf.
Im 5. Kapitel rutscht Uta Pohl-Patalong vom Kopf in den Bauch, von der rational-kognitiven nimmt sie uns mit auf die Reise in die Erfahrungs- und Erlebniswelt der Bibel.
5 Zugänge und Modelle, neueren (Bibliolog) und älteren (Lectio Divina) Datums werden vorgestellt.
Wie im vorherigen Kapitel dient Mk 14,3-9 als Kristallisationspunkt, quasi als Lackmuspapier im Labor biblischer Exegese.

Der Weg führt uns dann im 6. Kapitel wieder hinaus aus theoretischen Überlegungen zum praktischen Umgang mit dem «Buch der Bücher»: Von der Frage, «Welche Bibelausgabe soll ich benutzen?» bis, «Wie finde ich Menschen, die sie mit mir zusammen lesen?», werden hier hilfreiche Tipps gegeben.

Erstaunlich, wie leichtfüssig und gekonnt hier eine Professorin des universitären Systems den Weg zur Multiversität der Auslegung und der Deutung biblischer Texte findet.
Lesenswert und empfehlenswert nicht nur das Buch von Uta Pohl-Patalong, sondern auch in ihrem Sinne die heiligen Texte selber.

Ralf Kreiselmeyer
(Mensch, Gemeindeleiter St. Stephan Therwil-Biel/Benken und Gestalttherapeut)

Uta Pohl-Patalong, Bibel lesen. Die Kraft der heiligen Texte
Herder Verlag 2010 (Reihe Herder Spektrum), ISBN: 3-451-06087-6, CHF 12.90 Euro 7.95

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