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Othmar Keel, Gott weiblich. Eine verborgene Seite des biblischen Gottes   

Buch des Monats Juli 2008

«Gott weiblich» ist der Katalog zur gleichnamigen Ausstellung, die momentan und noch bis 10. August 2008 im Diözesanmuseum Rottenburg (D) gezeigt wird. Das Buch bietet eine Fülle eindrucksvoller Bilder aus der Sammlung des Bibel+Orient-Museums Freiburg CH. Die 154 Bilder stellen den 6800 Fällen, in denen in deutschen, französischen und englischen Bibelübersetzungen Gott als «der Herr», «le Seigneur» oder «the Lord» bezeichnet wird, 154 Augenöffner und Ausrufezeichen gegenüber, die das biblische Gottesbild um die weibliche Seite erweitern und ergänzen. Die Bilder sind in 14 Kategorien eingeteilt und zeigen altorientalische Göttinnen (Aschera, Maat, Isis, Tanit…) und ihre besonderen Symbolwelten (Göttin und Pflanzen, Tiere, Löwen). Sie zeigen die Verbindung der weiblichen Gottesvorstellungen mit existentiellen Themen wie Fruchtbarkeit, Fürbitte, Mutterschaft, Tod, Erotik…). Jedes Bild wird begleitet von einem kurzen erklärenden Text.
Die Einführung und der Epilog von Othmar Keel führen die Aktualität des Themas klar vor Augen und in biblische Gottesbilder und ihr altorientalisches Umfeld ein. Sie zeichnen die verhängnisvolle Geschichte nach, wie die Gottesvorstellung einseitig männlich gemacht wurde und so die weiblichen Aspekte Gottes verdrängte. Die Einführung weist vor allem darauf hin, dass der zentrale biblische Ausdruck für «Gott» ein Eigenname ist und sich schon dadurch einer klaren und eindeutigen Interpretation entzieht: «Eigennamen sind offene Bezeichnungen. Wenn aber 6800mal statt Hans «der Herr Direktor» gesagt wird, tritt an die Stelle des offenen Eigennamens eine klare Rollenbeschreibung und das ist eine drastische Einschränkung» (S. 13). Der Epilog führt die Thematik mit einem Blick auf die Entwicklung des Marienbildes im Christentum weiter. Texte und Bilder eignen sich hervorragend zum Einsatz in biblischen Kursen und Unterrichtseinheiten zum Thema.
Der Band «Gott weiblich» setzt die Reihe von hochwertigen Publikationen aus der Sammlung des Bibel+Orient-Museums auf beeindruckende Weise fort. Das Buch endet mit einer prophetischen Verheissung, von der ich hoffe, dass ich ihre Erfüllung noch erlebe: «Incarnatio und nicht Immasculatio heisst das theologische Schlüsselwort. Dass Jesus und seine Jünger Männer waren, ist gesellschaftlich zeitbedingt und theologisch ohne Bedeutung. Zu dieser Einsicht werden auch die bedächtigsten und zögerlichsten Theologinnen und Theologen früher oder später kommen» (S. 139). Der Vergleich mit der Entwicklung zwischen 1959 und 1971 in Bezug auf das Frauenstimmrecht in der Schweiz (ebd.) stimmt mich optimistisch: in 12 Jahren kann sich das Blatt entscheidend gewendet haben.

Peter Zürn

Othmar Keel, Gott weiblich. Eine verborgene Seite des biblischen Gottes, Gütersloher Verlagshaus 2008, 144 S., ISBN 978-3-579-08044-4, Euro 25,00, CHF 44,90

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