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Frank Kürschner-Pelkmann, Von Herodes bis Hoppenstedt. Auf den Spuren der Weihnachtsgeschichte   

Buch des Monats

Alles, was Sie schon immer über die Weihnachtsgeschichte wissen wollten…

Schon ein Gang durch das Inhaltsverzeichnis ist verblüffend. Da wird die Weihnachtsgeschichte in ihren historischen Kontext eingeordnet, beginnend mit der jüdischen Geschichte in der Zeit des Hellenismus, über das Römische Reich und die jüdischen Bewegungen zur Zeit Jesu und die Frage wie sich all das in den neutestamentlichen Texten spiegelt (S. 29-94). S. 95-108 findet sich dann eine dichte Einführung in die Bibel als Zeugnis von Erfahrungen mit Gott, und in die vielfältigen Auslegungen und unterschiedlichen Bibelverständnisse in der weltweiten Ökumene. Dann folgt ein erster Hauptteil (S. 109-358) über die biblische Weihnachtsgeschichte, in dem die verschiedenen Gestalten der Erzählung (Engel, Maria, Josef, Hirten, Weise, Augustus, Herodes…) genauso in einzelnen Kapiteln beleuchtet werden wie die Orte der Erzählung (Bethlehem, der Tempel, Nazaret, Galiläa…), verschiedene Einzeltexte (Marias Lobgesang, der Lobgesang des Zacharias, der Stammbaum Jesu bei Lk und Matthäus) und Einzelfragen (Junge Frau oder Jungfrau?, Kindermord in Bethlehem? Und heute?...). Immer ist der Blickwinkel weit, umfasst neben der Bibel auch die apokryphen Texte sowie jüdische und islamische Traditionen sowie die antike Umwelt. Ein detailgenaues und gut erschlossenes Nachschlage- und Nachlesewerk, reichhaltig illustriert.
Doch damit nicht genug. Es schliesst sich der zweite Hauptteil an (S. 359-641), der Aktualisierungen und Auseinandersetzungen mit Weihnachten aus zwei Jahrtausenden abendländischer und christlicher Geschichte aufarbeitet und zwar jeweils mit einer Person verbunden. Hier reicht die Reihe von TheologInnen wie Augustinus, Dietrich Bonhoeffer, Karl Barth, Karl Rahner, Uta Ranke-Heinemann, Dorothee Sölle, Jörg Zink und Leonardo Boff, über KünstlerInnen wie Lukas Cranach, Pieter Bruegel, Käthe Kollwitz und Max Liebermann bis zu LiteratInnen wie Matthias Claudius, Charles Dickens, Theodor Storm, Thomas Mann, Astrid Lindgren, Peter Schütt und Peter Bichsel bis hin zu Persönlichkeiten, die von allem Genannten in sich tragen wie Franz von Assisi, Kurt Marti und Loriot – der dem Buch mit seiner Sketch «Weihnachten bei Hoppenstedts» den Untertitel gab. Auch hier ist der Blick (welt-)weit und schliesst Viola und Mitri Raheb aus Bethlehem genauso mit ein wie James Massey aus Indien und Tissa Balasuriya aus Sri Lanka. Über den jeweiligen Zugang zur Weihnachtsgeschichte dieser Personen erschliesst sich die jeweilige Zeit auch in ökonomischer und politischer Hinsicht. Auch hier machen Bilder vieles noch anschaulicher.
Im Schlusskapitel «Weihnachten lebendig werden lassen» (S. 642-660) formuliert der Autor Frank Kürschner-Pelkmann schliesslich seine Theologie von Weihnachten. Er steht in der Tradition Luthers, der sich als «Weihnachtschrist» bezeichnete und dem es wie vielen anderen der dargestellten Personen darum ging, die Weihnachtsgeschichte lebendig und gegenwärtig werden zu lassen. 12 Orientierungspunkte weisen schliesslich den Weg zu einem Weihnachtsglauben auf der Höhe der Zeit. Dazu gehören unter anderem der Blick auf Familien auf der Flucht, auf Frauen in der Gesellschaft, auf die Auseinandersetzung mit den politisch und religiös Mächtigen, auf eine Gegenwelt zu den herrschenden Verhältnissen, auf die komplexe Beziehung zum Judentum, auf eine weltweit sich erstreckende Perspektive und schliesslich auf ein Weihnachten «jenseits der Ökonomie des Weihnachtsmannes» (658). Ein Muss für jede gute theologische Bibliothek!
Die Jerusalem-Akademie, die die Entstehung und Herausgabe des Buches mit ermöglicht hat, ist übrigens eine Gemeindeakademie der Evangelisch-Lutherischen Kirche, sitzt in Hamburg und befindet sich in der Trägerschaft der Jerusalem-Ge­meinde, einer Personalgemeinde ohne Pfarrbezirk, die aufgrund ihrer Geschichte über ein hohes Mass an Erfahrung und Kompetenz im christlich-jüdischen Dialog verfügt und auf diesen The­menbereich den Schwerpunkt ihrer Bildungsarbeit legt. So werden im Rahmen der Akademiearbeit Veranstaltungen zum christlich-jüdischen Verhältnis und zur christlich-jüdischen Begegnung angebo­ten.

Peter Zürn

Frank Kürschner-Pelkmann, Von Herodes bis Hoppenstedt. Auf den Spuren der Weihnachtsgeschichte. Das Weihnachtsbuch der Jerusalem-Akademie. Hamburg 2012, 696 S., ISBN 978-3-8491-2037-5, Euro 36.80 CHF 59.90

 

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